Vier Tiroler Kinder Opfer des chassidischen Fanatismus

Deckert, Joseph

80,00 

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Der vorliegende Band ist zwar nur schmal im Umfang, hatte aber aufgrund seines brisanten Inhaltes enormen Einfluss auf die Verhältnisse innerhalb und außerhalb der katholischen Kirche, handelt es sich hierbei doch um die Formulierung und scheinbare Begründung der Legende des „Anderl von Rinn“, der dieser Legende zufolge im 15. Jahrhundert von durchreisenden Juden in Judenstein, einem Ortsteil der Gemeinde Rinn östlich von Innsbruck, im Zuge eines Ritualmordes getötet worden sein soll. Die Legende selbst entstand in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, als der in Trient geborene und als Arzt in Hall in Tirol tätige Hippolyt Guarinoni von einem Kindesmord hörte, der sich in früherer Zeit in dieser Gegend angeblich ereignet haben soll. Nach dem Vorbild des weithin bekannten Märtyrerkultes des „Simon von Trient“ verfasste Guarinoni eine erste Schrift, die ein krasses Beispiel für den katholisch geprägten Antijudaismus darstellt. Die päpstliche Bulle „Beatus Andreas“, von Papst Benedikt XIV 1755 erlassen, machte den Ort Judenstein zu einem Wallfahrtsort, indem sie die Verehrung des „Anderl von Rinn“ innerhalb der katholischen Kirche gestattete. Bis ins 20. Jahrhundert war dies der offizielle Standpunkt der „Amtskirche“, erst 1953 wurde der Festtag des „Anderl von Rinn“ vom Innsbrucker Bischof Paulus Rusch aus dem Kirchenkalender getilgt. Obwohl von der historischen Forschung längst bewiesen worden war, dass es keinen Ritualmord in Rinn gegeben hat, dauerte es noch bis 1994, als der damalige Bischof der Diözese Innsbruck Reinhold Stecher den Anderl-Kult kirchlicherseits verbot.

Der weiter andauernden Verehrung durch die lokale Bevölkerung und fortdauernder Pilgerfahrten nach Judenstein tat dies aber keinen Abbruch. Auch in neuester Zeit gab es diese kultische Verehrung und die Pilgerfahrten, z. B. 2014¹ und 2015² wie die Tageszeitung „Der Standard“ berichtete. Und auch das Ziel der Pilgerfahrten, der „Anderl-Hof“ in Rinn, behaupteter Wohnsitz des Kindes, reiht sich in die Legendenbildung ein, wurde er doch erst im 17. Jahrhundert erbaut, der behauptete Tatzeitpunkt datiert aber schon aus dem 15. Jahrhundert.³ „Fake News“ und „Alternative Facts“ gab es auch schon früher.

Die beschriebene Schrift des Wiener Pfarrers Joseph Deckert ist auch aus einem anderen Grund wesentlich: 1893 verfasst markiert sie den Übergang des katholisch geprägten Antijudaismus hin zum rassistisch bestimmten Antisemitismus der „Völkischen Bewegung“ des ausgehenden 19. und frühen 20 Jahrhunderts, eine Entwicklung, die zurzeit des Nationalsozialismus den traurigen Höhepunkt erreichte.

 

¹https://www.derstandard.at/story/2000008593311/kult-um-anderl-von-rinntotgesagte-leben-laenger
²https://www.derstandard.at/story/2000018933735/anderl-von-rinn-ein-toter-kult-und-seine-anhaenger
³https://de.wikipedia.org/wiki/Anderl_von_Rinn

Signatur

Autor: Deckert, Joseph
Erscheinungsort: Wien
Verlag: Lesk und Schwidernoch
Erscheinungsjahr: 1893
Sprache: Deutsch
Seiten: 131
Gewicht in gramm: 266
Größe in cm: 23,1 x 15,7
Ausstattung: Halbleinen mit in Leinen gebundenen Ecken; Frakturdruck
Bewertung: Geringe Gebrauchsspuren/guter Zustand; Stempel der Pfarrbibliothek auf der Titelseite; leicht berieben; Papier etwas gedunkelt