Den österreichschen Landschaftsmaler Thomas Ender stellt uns Walter Koschatzky, der langjährige Direktor der „Graphischen Sammlung Albertina“ in Wien, in der Einleitung zum vorliegenden Band vor:
„Ganz ohne Zweifel brachte die aufblühende Zeitepoche Österreichs nach dem Ende der langen und verlustreichen napoleonischen Ära mit ihren Kriegsnöten auch den Künsten in Wien einen kaum vergleichbaren Aufschwung. Der Wiener Kongreß mit seinen glanzvollen Festen hatte wie ein Auftakt gewirkt. Eine geistesgeschichtliche Wendung, die man später allzu herabsetzend als Biedermeier-Idylle abqualifizierte, die aber in Wahrheit aus wiedergewonnener Lebensfreude und einem Wiederfinden der emotionalen Seiten des Menschen zu einer der glücklichsten und ausgewogensten Zeiten der jüngeren Geschichte führte, hat auch der Kunst eine besondere Blüte verschafft. Es ist heute fast üblich geworden, an der Vergangenheit alle nur denk-und erreichbaren Schattenseiten zu entdecken und solche Analysen entsprechend aufzubereiten. Man solle sich ruhig wieder dazu bekennen lernen, daß die Epoche der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts zu einer der lebenswertesten unserer Vergangenheit gehört.
Nun ist das Bild der Künstler das wohl eindruckvollste Zeitdokument der Künstler, die von der Schönheit und Unberührtheit der freien Natur berichten, von dem Leben und der Fröhlichkeit der Menschen, von allen ihren Eindrücken und Erlebnissen auf den Wanderungen und Reisen. Thomas Ender (1793-1875) war ganz gewiß einer von denen, die dieses Bild ihrer Zeit am eindrucksvollsten zu fassen verstanden und die daher auch so viele Liebhaber und Kunstfreunde weithin bis heute besitzen. Thomas Ender und sein Zwillingsbruder Johann waren in Wien geboren, zeigten früh Begeisterung und Begabung für Zeich(n)en und Malen und besuchten zunächst gemeinsam die Akademie. Schon bald trennten sich die Wege. Während Johann der klassischen Antike in Historien nacheiferte und ihn seine Geschicklichkeit in ungezählten Bildnissen der Gesellschaft schon früh zu großem Erfolg brachte, fühlte sich Thomas zu der Wirklichkeit der Natur, zunächst der freien Landschaft in Wiens Umgebung, hingezogen. Fürst Metternich, damals Protektor der Akademie, nahm sich des jungen Mannes an, verschaffte ihm die Teilnahme an der Expedition von Naturwissenschaftern im Jahr 1817 nach dem fernen Brasilien und sorgte nach der Rückkehr für einen mehrjährigen Studienaufenthalt in Italien. Das war ein hervorragendes Fundament für den Zeichner, den Aquarellisten, der nun souverän in der Heimat seinen Weg nahm. Dazu gehört auch der Zufall. Seine reizvollen Werke aus der Umgebung Wiens am Ende der zwanziger Jahre ließen gerade ihn wählen, als die Ausstattung des Kaiserschlosses Persenbeug durch den unerwarteten Tod von Josef Rebell zu Ende zu führen war. Der dem Kaiserhaus dienende Maler wurde aber auch zugleich von Erzherzog Johann ausgewählt, als dessen bevorzugter Kammermaler Matthäus Loder an der Tuberkulose plötzlich gestorben war. Und in der Arbeit als der letzte dieser Kammermaler fand Ender auch eine der größten, schönsten Aufgaben seines Lebens. Jahr für Jahr reiste er von 1829 bis 1849 für den Erzherzog durch die Steiermark, Salzburg, Tirol und Südtirol und erarbeitete eine Aquarellsammlung an Alpenansichten. Längst war er Professor der Landschaftsmalerei an der Akademie geworden und in reicher Vielfalt tätig. Seine Arbeiten erfreuten sich bald großer Beliebtheit, waren gesucht und oft kam er in Schwierigkeiten, allen Bestellungen nachzukommen. Ein besonderer Höhepunkt war gewiß die Reise in der Begleitung Erzherzog Johanns auf die Krim, nach Konstantinopel und Griechenland im Jahr 1837. Nach dem Jahr 1848 — Erzherzog Johann war als Reichsverweser nach Frankfurt berufen — sank langsam sein Stern. Ender mußte schließlich die Akademie verlassen, bereiste nochmals Italien und begleitete vor allem seinen Sohn, der ein erfolgreicher Eisenbahningenieur geworden war. So malte er noch viel in Ungarn, Böhmen, Südtirol, wo immer die Eisenbahnen durch seinen Sohn erbaut wurden. Überhaupt blieb er unermüdlich als Maler tätig, wandte sich aber schließlich immer mehr der Aufgabe zu, die sozialen Probleme der Künstler durch Organisation und Einrichtung einer Pensionskassa zu verbessern. Gänzlich vereinsamt starb er schließlich in seiner Wiener Wohnung. Ender hat ein sehr umfangreiches Oeuvre hinterlassen, das ihm immer wieder viel Ansehen machte, in großen Ausstellungen vor allem bei Sammlern und im Handel. Es ist wahrhaft erstaunlich, welche hervorragenden Werke bei solchen Gelegenheiten immer wieder auftauchen. Er hat einmal an Erzherzog Johann geschrieben, er sei glücklich, die Schönheit der Alpenländer für die Zukunft festhalten zu dürfen, und wir glauben, wir sollten genauso glücklich darüber sein, daß er es getan hat.“