Beitrag 2: Schloss Losensteinleiten

Liebe Leserinnen und Leser,

verlässt man die Schmökerei und tritt durch den Torbogen der Einfahrt steht man unmittelbar dem Schloss Losensteinleiten gegenüber.

Der Torbogen bei der Einfahrt zur Schmökerei
Foto: Helmuth Radler

Was liegt näher als für den zweiten Beitrag dieses Schloss zu porträtieren, das nicht nur namensgebend für den Ortsteil ist sondern auch die gesamte Region wesentlich geprägt hat.

Im Gegensatz zur Schmökerei ist Schloss Losensteinleiten ziemlich alt und blickt auf eine lange und bewegte Geschichte zurück. Und immer beginnt es mit einer urkundlichen Erwähnung, die für dieses Schloss aus dem Jahr 1323 datiert. Häufig verliert sich die Spur nach einer ersten Erwähnung wieder im Dunkel der Geschichte und taucht erst später mit gesicherten Daten wieder auf. Im Falle von Losensteinleiten hingegen dauerte es nicht sehr lange denn bereits 1362 erwarb das Geschlecht der Losensteiner das Schloss. Die für damalige Verhältnisse günstige strategische Lage der Anlage bewog das Herrschergeschlecht nicht nur zum Vollausbau des Schlosses, sondern die Losensteiner verlegten ab 1418 auch ihren Sitz hierher und machten den Standort zu einer dauerhaften Residenz. Damit verbunden war auch die Verlegung der Gerichtsbarkeit, was zur Folge hatte, dass der ehemalige Stammsitz der Losensteiner, Burg Losenstein im Ennstal, aufgegeben wurde, an Bedeutung verlor und langsam in der Geschichte versank. In der Folge entwickelten sich die Schlossherren zu Anhängern des neu entstehenden Protestantismus und stellten sogar einen eigenen Hofprediger an, der so umtriebig war, dass selbst die der neuen Lehre gegenüber aufgeschlossene Stadt Steyr sich veranlasst sah, ihre Bürger aufzurufen, die Predigten auf Losensteinleiten nicht mehr zu besuchen. Viel Erfolg hatten sie damit aber nicht.

Ein weiteres Mal machte Losensteinleiten 1532 von sich reden, als die Türken im Zuge ihres Vorstoßes nach Mitteleuropa bis hierher vorstießen und damit den westlichsten Punkt ihrer Expansion erreichten. Die Belagerung und Erstürmung von Losensteinleiten scheiterte aber, da ihr Befehlshaber Kassim Pascha beim Angriff ums Leben kam. Angeblich wurde er von einem der wenigen Verteidiger, einem passionierten Jäger und guten Schützen, mit einem gezielten Blattschuss aus dem Sattel geholt. Die türkische Streitmacht, nunmehr kopf- und führerlos, wandte sich daraufhin zur Flucht. Verifiziert ist diese Geschichte aber nicht.

Schloss Losensteinleiten: der mächtige Eckturm und der nicht minder wuchtige Rundturm an der Westfassade
Foto: Helmuth Radler

160 Jahre später erlosch das Geschlecht derer von Losenstein, als mit Franz Anton Graf von und zu Losenstien der letzte Vertreter dieser Linie 1692 starb. Als kirchlicher Würdenträger und Domprobst zu Passau war er kinderlos geblieben, sodass sein Neffe, Franz Karl Fürst Auersperg den gesamten Familienbesitz erbte. Bereits im 17. Jahrhundert, noch unter den Losensteinern, wurde das Schloss barockisiert, was aber die neuen Besitzer nicht hinderte, die Anlage erneut umzubauen und vor allem innen zu modernisieren.

Schloss Losensteinleiten: Zufahrt, Einfahrt und Innenhof nach dem barockisierten Vollausbau
Foto: Helmuth Radler

Etwas mehr als 150 Jahre blieb Losensteinleiten im Besitz der Auersperger. Aus dieser Zeit ist vor allem eine Begebenheit für einen Buchhändler erwähnenswert: die Übersiedlung der fürstlichen Bibliothek von Laibach nach Losensteinleiten. Das Geschlecht der Auersperger hatte seinen Stammsitz in der Gegend von Laibach, der Hauptstadt des Herzogrums Krain, das seit 1849 Kronland der Habsburgermonarchie war. Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Gebiet von einem schweren Erdbeben erschüttert, das auch in Laibach große Schäden verursachte. Dies veranlasste Fürst Karl Auersperg, seine umfangreiche Bibliothek aus dem dortigen Palais nach Losensteinleiten zu bringen, wo sie ca. 100 Jahre lang verblieb. Ende des 20. Jahrhunderts, als Losensteinleiten bereits an Private verkauft worden war, wurde die Bibliothek versteigert, sehr zum Bedauern des Buchhändlers und Historikers der Schmökerei.

Waren frühere Jahrhunderte durch stabile Eigentumsverhältnisse charakterisiert, kam es im 20. Jahrhundert zu einem vergleichsweise raschen Wechsel der Besitzverhältnisse. Schloss Losensteinleiten war als Folge des Zweiten Weltkrieges schwer beschädigt worden, das gesamte Mobiliar und Inventar verschwand sukzessive und während der Zeit der alliierten Besatzung waren amerikanische Soldaten einquartiert. Das Schloss verfiel zusehends. Alles zusammen bewog die Noch-Besitzer, die ehemaligen Fürsten Auersperg, Schloss und Grund zu verkaufen. Angeblich existierten bereits Pläne, die Gebäude abzureißen, als mit der österreichischen Kamillianerordensprovinz ein neuer Player und Käufer auf den Plan trat und die Liegenschaft erwarb. Als katholischer Krankenpflegeorden, der weltweit Krankenhäuser und Gesundheitsstationen aber auch Ausbildungsinstitute betreibt, richtete er ein Privatgymnasium mit Öffentlichkeitsrecht und angeschlossenem Internat ein. Aufgrund der horrenden Erhaltungskosten suchte man einen Mieter und fand ihn 1978 im Land Oberösterreich, das bis 1983 eine landwirtschaftliche Fachschule für Mädchen etablierte. 1985 übernahm wieder der Kamillianerorden und richtete das Exerzitien- und Bildungshaus St. Kamillus ein. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, zu denen sich auch noch personelle gesellten, wurden aber letztlich zu groß, sodass sich der Orden 1997 entschloss, das Schloss und vier Hektar Grund an einen privaten Investor zu verkaufen, der es seinerseits bereits 2015 wieder weiterveräußerte.

Die Schokoladenseite von Schloss Losensteinleiten: der Innenhof mit dem Laubengang. Anreiz für einen neuen Käufer?
Foto: Helmuth Radler

Seither ist es ruhig geworden um Schloss Losensteinleiten. Kurzzeitig gab es noch einmal Aufregung, als im Zuge der Flüchtlingsströme 2015 der Plan ventiliert wurde, das Schloss als Unterkunft für Asylsuchende zu nutzen. Letztendlich wurde das Projekt aber nicht realisiert.

Wenn man heute gegenüber von Schloss Losensteinleiten lebt und arbeitet, hört und sieht man so gut wie nichts. Keine Menschen gehen ein und aus, keine Fahrzeuge fahren in den Schlosshof, es wirkt einsam und verlassen. Unwillkürlich ist man an den Dornröschenschlaf aus dem bekannten Märchen der Gebrüder Grimm erinnert, allein es fehlt der Prinz. Vielleicht bringt ihn jene Tafel eines Immobilienmaklerbüros an der Zufahrt zum Schloss, die das Areal zum Verkauf anbietet. Angesichts der langen und reichen Geschichte ist es dem Schloss zu wünschen, wieder wachgeküsst zu werden, zu welch gutem Zweck auch immer.